Art City

#Iamhere 3/3

Eintrittskarte zur Ausstellung I am Here.

MuscleSelfie, FlowerPower & InstaArt


Nach Teil 1 und Teil 2 könnt ihr euch in diesem Post auf Muskelspiele, florale Motive und einen Hauch Romantik freuen. Außerdem verrate ich euch einen coolen Instagram-Account, bei dem es um Künstler-Selfies und Bild-Montage geht. Aber seht und lest selbst :-)

Das Tweetup zu #Iamhere liegt schon einige Wochen zurück, die Eindrücke sind mir aber immer noch sehr präsent. Warum? Weil es das erste Museums-Tweetup war, das ich begleitet habe. Alles habe ich nicht mitbekommen. Als Neu-Museums-Twitteranerin bin ich oft bei einem Bild hängen geblieben – damit beschäftigt ein gutes Foto zu schießen und das Bild auf mich wirken zu lassen – während die Truppe schon wieder in den nächsten Saal weitergewandert war. Als ich mich bei der letzten Station etwas länger aufgehalten hatte, um das FLICK EU MIRROR Selfie hinzubekommen und plötzlich allein da stand, hatte ich sogar kurz Sorge im Museum vergessen zu werden. Das wäre vermutlich auch eine Erfahrung gewesen – #NachtsimMuseum. :D

Das erste Bild der Ausstellung ist Jean Baptiste Frénets Selbstbildnis als Akt (1850/60). Der jugendlich, athletische Körper im Stile Michelangelos will nicht so recht zum fast kahlen Haupt des alternden Künstlers passen. Es wirkt, als ob der Kopf auf ein muskulös überzeichnetes Körperideal aufgesetzt worden wäre. Express-Muskel-Tuning kann ich übrigens auch ;-)

Selbstbildnisse haben weniger mit der tatsächlichen physischen Konstitution und Erscheinung des Künstlers im Moment des Malens zu tun, als mit seinem Selbstverständnis, dem Ideal, das er anstrebt oder der Rolle, die er spielt.

Wenn ihr bei Instagram nach dem Hashtag #MuscleSelfie sucht, kommen die Ergebnisse ziemlich nah an den Körper Frénets. Es geht aber auch umgekehrt: Statt sich an Körperidealen früherer Kunstepochen zu orientieren, setzt der Instagram-Account art.lies historische Künstler-Porträts durch einfache (analoge) Bildcollage in heutige Alltagsszenerien. Ich finde es spannend wie cool Dürer und Kahlo in einem urbanen Kontext wirken.

Wie die Einflüsse der jeweiligen Zeit die Selbstbildnissse beeinflussen sieht man auch bei der Gegenüberstellung von zwei Jahrhunderten sehr gut. Während Selbstbildnisse im 18. Jahrhundert dazu dienten Standesbewusstsein und Repräsentation auszudrücken, stehen ein Jahrhundert später nicht mehr Staffage und Image, sondern der Mensch und seine psychologische Verfassung im Vordergrund. Feinfühlig porträtiert, offenbaren die Künstler-Bildnisse die Verunsicherung der Zeit.

John Patrick Byrne’s Selbstporträt in geblümter Jacke (1971-1973) ist das Lieblingsbild des Kurators. Es entstand als Hommage an den Künstler Henri Rousseau und war von der Flower-Power-Bewegung der 70er Jahre inspiriert. Der Exmann von Tilda Swinton zeigt sich in seinen Selbstbildnissen in immer neuen Facetten und Stimmungen. Es geht ihm also nicht darum ein festes Bild seines Selbsts in Öl zu bannen, sondern seine verschiedenen Gemüter und Beeinflussungen malerisch auszuleben. Besonders spannend finde ich den Kontrast zwischen barock wirkender, detailgenau gemalter Jacke und der Holzkiste mit den Scribbels, die auf die naive Kunst verweisen.

Eine wichtige Sache, auf die ich euch in diesem Post hinweisen wollte, ist es die Vorstellung abzustreifen, dass Selbstbildnisse die unmittelbare Realität des Künstlers darstellen. Er möchte uns Etwas – sich – mitteilen, mal subtil ins Bild gefügt wie in Marell’s Spiegelung, mal offensichtlich inszeniert wie bei Rembrandt. Und diese Kommunikation funktioniert heute immer noch! Eine globale Sprache, die sich mit einem genauen Blick und dem Hinterfragen der Bildwirkung erschließt. Ist es nicht wunderbar, dass es Dinge gibt, die auch nach Jahrhunderten über unsere Existenz hinaus mit uns sprechen können? Das Selfie von heute hat dagegen einen anderen Schwerpunkt: Keine Kommunikation, die auf Dauer und Überdauern angelegt ist, sondern den Live-Charakter zur wichtigsten Funktion erhebt.

Tipp! Kurze Beschreibungen erhaltet ihr, wenn ihr auf die einzelnen Bilder klickt. :-)


☆ QUINTESSENZ

  1. Selbstbildnisse sind meist kein Abbild der unmitelbaren Realität.
  2. Sie sind eher Rollenspiele und inszenierte Szenarien, die mehrere Aspekte gleichzeitig darstellen, um eine bestimmte Aussage zu verdichten
  3. Porträts spiegeln das künstlerische Selbstverständnis der jeweiligen Epoche wider
  4. Selfie und Selbstbildnis unterscheiden sich nicht nur technisch, sondern auch in der zeitlichen Dimension
  5. Selfie → flüchtige Momentaufnahme (Ausnahme: Oscar-Selfie) vs. Selbstbildnis → Zeitzeugnis

Ich hoffe ich konnte euch mit dieser kleinen Serie meine Leidenschaft für das Erlebnis Kunst näher bringen. Es ist nämlich ein Erlebnis, wenn man sich darauf einlässt – im Auge des Betrachters vollzieht sich Kunst jedes Mal aufs Neue, in dem was ihm auffällt, ihn fesselt, er bemerkt, er versteht oder es sich ihm eben verweigert und versperrt. Denn man kann und muss nicht zu jedem Werk einen Zugang finden; manchmal entwickelt er sich, z. B. wenn man den Kontext ergründet. Entscheidend ist nur sich auf diesen Prozess einzulassen.

Geht in die Ausstellung und entdeckt selbst! :-)

PS Die gesamte Blogparade #selfierade findet ihr übrigens hier und die EU-Projektseite zur Ausstellung hier.


Jedes Porträt, das mit Gefühl gemalt wurde, ist ein Porträt des Künstlers,
nicht dessen, der ihm dafür gesessen hat.
Oscar Wilde


You Might Also Like

No Comments

    Leave a Reply